Nicht perfekt, aber unterhaltsam
The Northern Heart ist der zweite Teil einer klassischen Fantasyreihe. Elfen, Magie, ein Fluch und ein alter Konflikt treffen in einem mittelalterlich anmutenden Szenario aufeinander. Die zugrundeliegende Handlung ist einfach aufgebaut, bietet aber nette Unterhaltung. Vor allem die Dynamik zwischen Pearce und Emmerich ist es, die einen neugierig auf den Fortgang der Geschichte macht.
Das Wichtigste vorweg: Ich hätte dem Buch gerne 4 Sterne gegeben, weil es eine durchaus solide und unterhaltsame Basis hat. Was es für mich aber dann letztlich doch etwas verdorben hat, waren die vielen textlichen Fehler. Wortwiederholungen, Satzwiederholungen, inhaltliche Wiederholungen. Sprachlich hätte man mit einem halbwegs ordentlichen Lektorat locker noch einen Stern herausholen können. Leider scheint der Verlag das generell nicht anzubieten, denn ähnliche Probleme habe ich auch schon bei anderen Büchern dieses Verlagsteams gefunden. Sehr schade.
Auch der Weltenbau kommt etwas kurz. Oft hatte ich das Gefühl, die gesamte Handlung spielt sich auf drei Quadratmetern ab, mit kurzen Ausflügen in ein anderes drei-Quadratmeter Zimmer.
Warum hat mir das Buch trotzdem gute Unterhaltung geboten? Weil es eine zwar einfache, aber auch leicht wegzulesende Geschichte ist mit einer süßen Romanze zwischen Pearce und Emmerich. Man erlebt The Northern Heart aus wechselnden Perspektiven der beiden Hauptcharaktere, was es einem als LeserIn ermöglicht in die Köpfe und jeweiligen Sorgen und Ängste der beiden Figuren vorzudringen. Dadurch lässt sich leichter nachvollziehen, wie es zu bestimmten Missverständnissen zwischen beiden kommt, weshalb sie diese oder jene Hemmung davor haben ein bestimmtes Thema mit dem anderen anzusprechen. Man ist also gewissermaßen in einer allwissenden Position als Leser, während die Figuren durch ihr Halbwissen lange im Dunkeln tappen. Man beobachtet, wie die beiden Männer unbewusst umeinander herumschleichen und lauert darauf, dass sie endlich die Wahrheit erkennen.
Man ahnt es also schon: Natürlich werden sich Emmerich und Pearce im Laufe des Romans kriegen, der Weg dahin ist aber mit einigen Hürden gepflastert, die auch ihrer eigenen Unsicherheit geschuldet sind. Ich für meinen Teil war neugierig auf den Moment, da es endlich Klick bei ihnen macht.
Interessant fand ich auch das Magiesystem. Ich habe es nicht vollständig verstanden, was auch damit zusammenhängen könnte, dass ich unbewusst zum zweiten Teil einer Buchreihe gegriffen habe. Vieles erschloss sich im Laufe des Textes dennoch und die Szenen, in denen Magie gewirkt wurde, fand ich sehr plastisch und lebendig. Da die Hauptfiguren des Vorgängerromans außerdem andere waren glaube ich nicht in der Hinsicht zu vieles verpasst zu haben. Der Neugier halber werde ich mir den ersten Teil aber auch noch zu Gemüte führen.
Was ich auf jeden Fall positiv fand ist die Tatsache, dass wir hier trotz mittelalterlichem Setting keine Vorurteile gegenüber Homosexualität finden. Pearces Vater geht sogar soweit, dass er seinem Sohn eine Scheinehe mit Emmerich aufdrücken will, weil das in der Öffentlichkeit verschiedene Probleme bezüglich Emmerichs Magiefähigkeit erklären würde – es ist normalerweise nur der Königsfamilie und ihren Ehepartnern möglich Magie auszuüben, da man dazu ein besonderes Artefakt braucht (Juwele die als Herzen bezeichnet werden).
Auch die wenigen, aber recht ausführlichen Sexszenen zwingen einem kein Augenrollen auf. Die gemeinsamen Momente machen einen liebevollen Eindruck. Der Konflikt zwischen Menschen und Elfen und Emmerichs Trancewanderungen sorgen aber ohnehin dafür, dass man nicht in einer schnulzigen Dauerschleife gefangen ist, sondern auch mal Gefangene macht oder wackelige Allianzen mit einer eigentlich verfeindeten Fraktion eingeht.
Kurzum: The Northern Heart ist keine wahnsinnig innovative Erzählung, aber sie hat all die essentiellen Bestandteile einer klassischen Fantasyqueste mit einer warmherzigen Romanze. Irgendwie schafft es das Buch – trotz seiner sparsamen Beschreibung von Äußerlichkeiten bei Welt und Figur – eine unterhaltsame Lesezeit zu bescheren. Auch wenn es äußerlich nicht perfekt ist, kann ich das Buch empfehlen.