Rezension mit Sarkasmus als Beilage: Herland

Die Abenteurer Terry, Jeff und Van lösen sich von ihrer Reisegruppe, um im wilden Amazonas nach einer sagenumwobenen Stadt zu suchen, in der es den Legenden nach nur Frauen geben soll. Trotz der Warnungen der Einheimischen, dass kein Mann je von dieser Suche zurückgekehrt wäre, machen sich die drei Abenteuer auf den Weg.
‚When I see them knit,‘ Terry said, ‚I can almost call them feminine.‘
Tja, wo soll ich bei Herland bloß anfangen? Die anfängliche Idee, eine Welt zu beschreiben, die ganz ohne Männer existiert, fand ich zunächst einmal spannend und es gibt ein paar gute Ansätze, auch in Sachen Religion und Politik. Wie so oft bei Klassikern, basiert aber auch hier das Qualitätsversprechen auf völlig veralteten Zuständen der Gesellschaft zu jener Zeit und dem Umstand, dass es noch leichter war als heute, neue Ideen vorzubringen. Ich schicke mal vorweg, dass es sich um eine feministische Autorin handelt, die das Buch 1915 geschrieben hat. Komischerweise liest es sich trotzdem wie die Geschichte dreier Männer die Herland erleben, anstatt der Geschichte der Frauen, die Herland ausmachen. Von da aus geht es dann leider steil bergab.
Jeff, Van und Terry gehören wohl dieser Entdeckerphase an, da sich reiche weiße Schnösel auf den Weg machten um die Geheimnisse der Fremde zu erkunden, ein paar rassistische Ansichten zum Besten zu geben, hier und da eine Pyramide zu plündern und weiß der Kuckuck, was zu der Zeit sonst noch Inn war. In diesem Szenario tingeln die Herren jetzt durch den Amazonas und werden von der Gruselgeschichte angefixed, dass es einen Ort geben soll, an dem ausschließlich Frauen leben. Ein gefährlicher Ort, den schon viele gesucht haben. Niemand ist je wieder zurückgekehrt. Klingt erstmal mysteriös? Ja, dachte ich auch. Während der eine Abenteurer aber schon feuchte Hosen kriegt beim Gedanken an all die schönen, jungen Frauen, widerspricht sich die Autorin direkt mal. Die drei Helden finden das zweitausend Jahre alte Land nämlich völlig problemlos, es ist auch nicht allzu schwer versteckt, und es zeigt sich, dass die Frauen von Herland noch nie einen leibhaftigen Mann gesehen haben. Wo also sind die angeblich verschollenen Suchenden gelandet, wenn sie nicht dort waren? Wie ist dieses gruselige Kindermärchen entstanden, das Jeff, Van und Terry so neugierig gemacht hat, wenn kein Mensch Herland je gesehen hat? Vielleicht hat die vorangegangenen Suchenden der Orientierungssinn verlassen und sie sind in die falsche Richtung gelaufen? Ich dachte zwar das wäre ein Frauenproblem, aber vielleicht ist das ja eine der geheimen Botschaften von Herland. Wer weiß.
Beinahe hätte ich eingangs begonnen mit »Drei Sexisten machen sich auf den Weg, …«, konnte mich aber noch zusammenreißen, obwohl die Hauptfiguren dieses Romans alles Stereotype der einen oder anderen Form sind. Jeff ist ein Bilderbuch-Gentleman der Frauen idealisiert und nahezu unterwürfig anbetet, Terry ist das dominante Arschloch, das glaubt Frauen stehen drauf (gerne auch mit Gewalt) »erobert« zu werden und Van soll der gemäßigte Mittelweg sein, der Mann der erkennt, dass Frauen Männer zwar nicht brauchen, aber ihre Gesellschaft schätzen können. Vielleicht könnte man Van durchgehen lassen, aber insgesamt sind doch alle Herren zu schlicht, als dass sie auch nur ansatzweise interessant sein könnten. Außerdem haben alle drei ähnlich stereotype Vorstellungen von den Frauen. Jeff hält Herland für ein Hausfrauenparadies, Terry nimmt an er wäre der begehrte Hahn im Korb und Van … was Van denkt weiß ich eigentlich nicht. Der erzählt und beobachtet viel und lernt irgendwie im Laufe der ereignislosen Handlung, dass Frauen tatsächlich ein Gehirn haben und es auch nutzen können. – Holy shit! Ich war fast so beeindruckt wie Van.
Es sind sich aber im Vorfeld immerhin alle drei einig, dass Herland ein harmloser Ort sein muss, denn schließlich sind Frauen, per biologischer Programmierung, alle nett. Hier behalten sie damit auch leider Recht, denn Herland ist sowas von klischeehaft weibisch, da könnt’ ich rosa Einhörner kotzen.
Zunächst einmal wird uns diese Stadt als ein fortschrittlicher Ort vorgestellt, der sich weit besser entwickelt hat, als unsere bekannte Gesellschaft. Es ist ein männerloses Utopia wo sich die Frauen durch reine Wunschkraft fortpflanzen. Alles in und an der Gesellschaft von Herland ist schön, hübsch, sauber, strukturiert, gesund, ökonomisch und gepflegt … Ich will ja keine perfekt geformte Seifenblase zerplatzen lassen, aber auch Frauen beherrschen die Kunst einen Schweinestall aus den eigenen vier Wänden zu machen. Sehr gut sogar. Die Wenigsten kriegen einen mentalen Orgasmus, wenn sie Fenster putzen oder Töpfe spülen dürfen. In Herland könnte man aber fast zu dem Schluss gelangen, dass sich die Damen um Aufgaben der Ordnungshaltung prügeln würden, wenn sie denn irgendeine Form von Leidenschaft besäßen. Tun sie aber nicht. Die Frauen kennen keine Konkurrenz und sie tragen keine Wettkämpfe aus. Es gibt ganz grundsätzlich keine Konflikte, keine Kriminalität, keinen Neid. Nur das Streben nach gemeinsamem Glück und Fortschritt. Und wie drückt sich das am besten aus? Genau, durch Babies!
Die Frauen von Herland sind dermaßen fixiert auf die Mutterschaft, das hält frau im Kopf nicht aus. Die Idee, dass es Frauen geben könnte die gar keine Lust aufs Kinderkriegen haben, kommt der Autorin nicht einmal im Ansatz. Stattdessen wird das Muttersein zu einer Art fanatischen Religion und wer nicht 200% in der Spur läuft, bei der wird der biologisch einsetzende Mutterschaftswunsch durch produktive Ablenkung einfach unterdrückt und die Schwangerschaft verhindert.
Ich habe mich in zweiter Instanz übrigens die ganze Zeit gewundert, warum die Frauen eigentlich wieder Männer in ihre Gesellschaft integrieren wollen. Die Frauen haben keinerlei sexuelle Interessen (für lesbisches Gedankengut war die Autorin dann wohl doch noch nicht bereit). Sex ist für sie nur ein neues Mittel um Kinder zu kriegen. Das muss ja keinen Spaß machen. Ich sehe sie schon wie Bretter daliegen, im Geiste ihre Putztücher und Babylätzchen aufreihen, während der Mann seine eheliche Pflicht verrichtet. Sexy, huh?
Brauchen tun die Frauen die Herren auch nicht. Warum sie es also plötzlich so erstrebenswert finden aus ihrer xx-Gesellschaft wieder eine xy-Gesellschaft zu machen, erschließt sich während der Lektüre nicht wirklich. Das muss man dann einfach mal so hinnehmen.
Während Herland zur damaligen Zeit vielleicht für Aufsehen gesorgt hat, ist dieses Buch aus heutiger Sicht einfach nur schlecht. Es ist sprachlich simpel und inhaltlich bietet es nichts als Gefasel und Klischees. Es gibt keine Spannungsbögen und die Figuren sind allesamt einfältig. Blasse Pappfiguren. Auch Herland selbst strahlt nichts aus. Man lernt es leider nicht richtig kennen, da man es nur durch Vans analytische Augen sieht. Erstrebenswertes oder etwas, dass einen zum Nachdenken anregen würde, sucht man in diesem Roman ebenfalls vergeblich. Obwohl das Buch außerdem als feministische Literatur gilt, würde ich es als in jeder Hinsicht sexistisch beschreiben. Gegenüber den Männern sowieso, aber auch gegenüber den Frauen, mit all seinen altbackenen Vorstellungen vom Frausein. Solltet ihr in die Versuchung geraten Herland lesen zu wollen: lasst es! Es lohnt sich nur, wenn ihr eine Studie über den Feminismus von damals bis heute schreiben müsst. Andernfalls ist Herland einfach nur überbewerteter Bockmist.
Mein liebstes Schmankerl übrigens: Intelligenz maskiert die Weiblichkeit und macht eine Frau weniger attraktiv. Und das aus der Feder einer Feministin …