Wüstenabenteuer mit Revolverheldin

Rebel of the Sands - Alwyn Hamilton

Das Leben in der Wüste ist nicht leicht, wenn man arm, verwaist oder eine Frau ist. Auf Amani Al’Hiza treffen gleich alle drei Dinge zu. Höchste Zeit also, dass sie ihre trostlose Heimatstadt hinter sich lässt, bevor sie einer Zwangsheirat nicht mehr entgehen kann. Bewaffnet mit einem Revolver und ebenso scharf schießendem Mundwerk sucht sie einen Ausweg. Als Junge verkleidet verlässt sie im Schutze eines Tumults ihre Heimat, auf dem Rücken einer mythologischen Kreatur aus Wind und Sand. Doch Amanis Suche nach einem freien Leben gestaltet sich schwieriger als gedacht, denn sie gerät zwischen die Fronten des Sultans und des Rebellenprinzen.

 

 

Parviz frowned, like I might be simple. I supposed he thought I was, since I wasn’t a man any longer.

 

Rebel of the Sands hat mich von der ersten Seite an positiv überrascht, denn obwohl es ein Jugendbuch ist, hat es unheimlich viel zu bieten und auch der obligatorische Romantikplot kommt dezent und wirklich nett daher. Doch fangen wir mal mit ein paar Details zu Amanis Welt an und da muss ich gleich eine Warnung wegen einer gewissen nötigen Wortwahl anbringen, die gleich folgt:

Dustwalk ist eine ärmliche Oasenstadt des Königreichs Miraji, in der es weniger Palmen als vielmehr trockene Sande, Staub und unterirdische Mienen gibt, in denen sich die Menschen kaputt schuften. Im Land herrscht zudem ein erzkonservatives Patriarchat. Frauen sind Dinge und es wird mit ihnen verfahren wie mit allen Handelsgütern: Sie werden gegen ihren Willen verheiratet, sie dürfen keinen eigenen Besitz haben und schon gar keine Meinung. Doch das ist längst nicht alles. Autorin Alwyn Hamilton wagt sich an ernste Themen heran. So gehört Vergewaltigung zur Tagesordnung in Miraji und gilt als Schuld der Frau, die sich unverheiratet zu einem Mann »gebettet« hat. Anschließend als Hure beschimpft zu werden ist noch das Beste, was dem Opfer passieren kann. In der Regel wird es jedoch zu Tode gesteinigt, gehängt, verbrannt, oder was den feinen Herren auch sonst so einfallen mag. Die selben Männer haben übrigens kein Problem damit kurz darauf selbst ein Mädchen zu missbrauchen, das ihnen als Hure verkauft wurde – die Doppelmoral lässt grüßen. Wer jetzt aber denkt Rebel of the Sands wäre ein Männerfeindliches Buch, der irrt. Das Beschriebene ist nur ein Teil einer Gesellschaft, die ihre Schattenseiten hat. Auch die Problematik von miteinander konkurrierenden Religionen findet Erwähnung in den ruhigen und sachlichen Gesprächen und Gedanken der Figuren.

Die Hintergrundbeschreibung von Rebel of the Sands ist aber nicht nur bitter oder kritisch. Denn neben diesen starken Ungerechtigkeiten gibt es auch magische Kreaturen die geradewegs aus Tausendundeinenacht entsprungen sein könnten. Djinn, alte Götter, ein abtrünniger Prinz, eine Rebellion der Unterdrückten und Sandstürme erwachen vor dem inneren Auge zum Leben. Wahre Namen besitzen die Macht Lebewesen zu kontrollieren oder verborgene Türen zu öffnen. Es gibt Oasen die in Tristesse versinken, in denen ranzige Spelunken und Mienen unter Tage das Highlight bilden, und es gibt Oasen in denen das Leben in schillernden Farben gedeiht.

Wem die wirkungsstarke Atmosphäre noch nicht genügt, der findet sicher Gefallen an den herrlich ironischen und schlagfertigen Hauptfiguren. Zunächst einmal haben wir da Amani, die einfach nicht anders kann als ihre Meinung zu sagen. Sie ist klug – ein gefährliches Talent für eine Frau – und muss, wegen ihres losen Mundwerks und ihrer kessen Sprüche, regelmäßig Prügel einstecken. Das allerdings bricht ihren Willen nicht etwa, sondern spornt sie an noch mehr Eifer in die Erfüllung ihrer Ziele zu stecken. Schon als Kind, hat sie sich beigebracht mit einem Revolver umzugehen und seither ist sie zu einer zielsicheren Schützin geworden.
Amani ist eine coole junge Heldin, die anfangs jedoch mitunter egoistisch erscheint. Wenn man aber bedenkt, in was für einer Gesellschaft sie lebt, was sie in der Vergangenheit erlebt hat und welche Zukunft sie zu erwarten hat, dann ist es durchaus verständlich, dass sie erst lernen muss anderen Menschen zu vertrauen. Doch je mehr Menschen Amani auf ihrem Weg trifft, je mehr sie über die Wüste und die politischen Verwirrungen lernt, desto offener wird sie Freundschaften gegenüber. Das bringt uns auch gleich zum nächsten Kandidaten:

Jin, Amanis nicht eingeplanter Reisegefährte und später natürlich auch ihr Love-Interest, ist ein überraschend sympathischer junger Mann. Selbstbewusst, aber nicht arrogant, besorgt und hilfsbereit gegenüber Amani, aber kein Kontrollfreak. Jin packt die Dinge an, muss aber nicht ständig der rettende Held sein, denn er ist beeindruckt von Amanis Fähigkeiten und lässt sie nicht nur ihr eigenes Ding machen, sondern verlässt sich auch auf ihr Können. Er hat eine geheimnisvolle, aber auch schelmische Persönlichkeit und ein besonderes Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen – schließlich ist man nicht ohne Grund auf der Flucht vor dem Sultan. Allerdings ist er auch sehr loyal gegenüber seinen Freunden und der Familie. Für Heiterkeit sorgen unter anderem auch, seine ihm beiläufig herausrutschenden Komplimente für Amani. Es sind kleine Dinge, keine gekünstelten Wortspielereien, und das macht sie umso süßer und überzeugender. Normalerweise muss ich bei solchen Dingen schnell die Augen rollen, doch in Rebel of the Sands war das nie nötig.

Der Namensgebende Rebellenprinz nun, steht unter anderem wegen seiner fortschrittlichen Denkweise mit dem Sultan in Konflikt. Denn der Sultan würde gerne alle Frauen und Halbdjinn (überhaupt alles Magische) entweder zähmen oder auslöschen. Er hält mit eiserner Faust an den bestehenden Gegebenheiten fest. Im Camp der Rebellen treffen wir dagegen auf eine eigenständige kleine Gesellschaftsform, in der Männer und Frauen gleichberechtigt leben. Der gegenseitige Respekt füreinander schließt auch die dort lebenden Demdji (Mischlingskinder – halb Mensch, halb Djinn) mit ein, die vom Sultan und den verfeindeten Gallan gnadenlos gejagt und hingerichtet werden.

Kurzum: Rebel of the Sands ist ein richtig gutes Wüstenabenteuer, das eine starke Balance zwischen Ernst, Hoffnung und Mythen meistert. Wer die Sandkörner zwischen den Zehen spüren will ohne das Haus dafür verlassen zu müssen, wer eine Heldin mit Kampfgeist möchte, dem ist dieses Buch nur wärmstens zu empfehlen. Ich jedenfalls bin begeistert und hoffe auf eine baldige Fortsetzung.

Quelle: http://moyasbuchgewimmel.de/rezensionen/titel/r/rebel-of-the-sands