Rezension mit eindeutig nicht eindeutigem Empfehlungswert…

Toad Words and Other Stories - T. Kingfisher

Toad Words ist eine Sammlung von Geschichten und Gedichten, die teils auf allseits bekannten Märchen basieren und eine eher düstere Neuinterpretation abliefern.

 

 

It was all very well to go away in the night with an elfin boy with laughing eyes who taught you to fly, and promised that you’d never have to grow up, but it turned out that grown-ups had a great deal to do with meals arriving regularly and on time.
– Never

 

Die Geschichten in Toad Words wurden mitunter auf verstörende Weise neu gestrickt. Wie auch schon in The Raven And The Reindeer kommt in den Geschichten eine wenig amüsante Seite des des Frau seins zum Vorschein. So befasst sich T. Kingfisher in Toad Words mit Stalkern, Frauenmördern und Psychopathen, aber auch einer z.B. missverstandenen Meerhexe, deren Ausführungen plausible Gründe für ihr Handeln offenbaren.

Obwohl die Anthologie insgesamt durchaus lesenswert ist und auch erneut wichtige Schattenseiten aufgezeigt werden, die jedes Mädchen lieber früher als später wissen und verstehen lernen sollte, kann ich persönlich diese Erzählungen nicht positiv erleben. Zu bitter sind die allzu realen Tatsachen in diesen Geschichten, zu frustrierend ihre Anwesenheit im normalen Alltag. Andere LeserInnen erfreuen sich dabei an dem schwarzen Humor der Autorin und obwohl ich den hin und wieder zu entdecken vermag, so habe ich doch letztlich den Eindruck, dass Kingfisher und ich nicht unbedingt auf einer Wellenlänge liegen. Ich schätze ihre einzigartigen und andersartigen Ansätze, gleichzeitig frustrieren mich ihre gänzlich entzaubernden Erzählungen und Fingerzeige. Es liegt vermutlich daran, dass ich mir der angesprochenen Probleme in diesen Kurzgeschichten zu sehr bewusst bin und das nicht auch noch in meiner Freizeitlektüre brauche. Was mich außerdem irritiert, ist die frohgemute Bereitwilligkeit alter Tiere, ihr Leben für wildfremde Menschen zu opfern. Mal eben so, als wäre ein (altes) Leben ja kaum der Rede wert und der eigene Tod auch gar nicht so dramatisch. Alles ganz easy …

Wer sich mit dem Gedanken trägt einen Versuch mit dieser Autorin zu machen kann mit Toad Words natürlich nicht viel verkehrt machen. Der Preis ist erschwinglich und wenn man das Glück hat mit Kingfishers Stil zu harmonieren, dann tut man es wohl mit Haut und Haar. Wer sich da noch nicht ganz so sicher ist, kann einen Großteil der hier vorgestellten Erzählungen auch kostenlos im Blog der Autorin finden.

Ob ich nun empfehlen würde diese Anthologie zu lesen oder nicht, kann ich in diesem Fall nicht entscheiden. Es gibt vieles was großartig an Kingfishers Arbeit ist, aber zur selben Zeit ist das Großartige daran auch das enorm Frustrierende. Man sollte es gelesen haben, aber im Nachhinein betrachtet wäre es mir lieber gewesen, ich hätte es nicht getan.

Mein persönliches Fazit also: Ich bin einfach nicht für grimdark, grim & gritty – oder wie auch immer man es sonst noch nennt – gemacht. Dafür hat es davon im Alltag einfach schon zu viel und gerade als Frau gibt es eigentlich keine Möglichkeit sich davon freizumachen. Kingfisher ist daher von meiner Leseliste zukünftig gestrichen, um mich nicht auch noch in meiner Bücher-Auszeit mit Psychopathen, Frauenfeinden, Vergewaltigern und anderen haste-nich-gesehen-Arschnasen beschäftigen zu müssen, die in der Regel auch noch ungestraft davonkommen.

Zu den einzelnen Erzählungen:

1. It has come to my Attention
Ein Gedicht über eine Person die sich für das Wesen von Märchen interessiert. Viel mehr kann ich dazu nicht sagen, weil es mir etwas schwer gefallen ist, hier konzentriert bei der Sache zu bleiben.

2. Toad Words
Das Märchen auf dem Toad Words basiert ist mir bisher unbekannt, daher kann ich keinen Vergleich ziehen. Erzählt wird aus der Perspektive einer Person, die beim Sprechen Frösche und Kröten spuckt, während die Schwester Juwelen ausspuckt. Beide Figuren haben ihre Schwierigkeit mit dem ihnen auferlegten Fluch, wobei die Erzählstimme wohl mehr zu leiden hat, letztlich aber ihren Frieden damit schließt und dem Fluch sogar etwas positives abgewinnen kann.

3. The Wolf and the Woodsman
Ein verdrehtes Rotkäppchen-Märchen in dem die Großmutter von einem Holzfäller gestalked und angegriffen wird. Der Wolf ist hier nicht der Böse, sondern ein pragmatischer Gehilfe.

4. Bluebird’s Wife
Dies ist wohl die Geschichte, die mir in dieser Anthologie am besten gefallen hat. Bluebird’s Frau muss sich hier mit der Erkenntnis auseinandersetzen, dass ihr liebevoll wirkender Gatte ein Serien-Frauenmörder war. Die Überlegungen der Protagonistin machen sie lebendiger als die Figuren der anderen Erzählungen, weil man recht tief in ihre Gedankenwelt eintaucht und sich fragt, wie man selbst mit einer solchen Situation umgehen würde. Auch ist die sonst eher gerade stattfindende Gewalt hier ein bloßer Rückblick auf Tatsachen, so dass die Morde an sich weniger Raum einnehmen als das Befinden der Erzählerin.

5. Loathly
Und damit zu der Geschichte, die ich am meisten verabscheue. Nicht, weil sie schlecht erzählt wäre, sondern weil mich das Geschehen einfach wütend macht. Loathly ist nichts für zarte Nerven und schon gar nichts für Missbrauchsopfer. Da blättert man lieber weiter, denn jede neue Entwicklung in dieser Geschichte ist in höchstem Maße demütigend, einengend, beraubt einen der Selbstbestimmung und ist entsprechend emotional fordernd. Atmosphärisch wirklich gut gemacht, ist Loathly inhaltlich leider einfach nur deprimierend.

6. The Sea Witch sets the Record straight
Die ist eine »Korrektur« von Disneys Arielle – Die kleine Meerjungfrau. Hierin klärt Hexe Ursula über ihren wahren Gründe dafür auf, weshalb sie sich gezwungen sah Arielle die Stimme zu nehmen. Das geschah nicht etwa aus Boshaftigkeit, sondern zum Schutz des Meervolks. Nach Loathly ist diese Erzählung deutlich leichtere und weniger deprimierende Kost, wirklich glücklich macht sie einen aber auch nicht. Kingfishers Protagonistinnen haben wirklich nicht viel zu lachen.

7. Never
Auch Peter Pan kommt in dieser Anthologie nicht weg ohne sein Fett abzukriegen. In Never erleben wir den kleinen Kinderdieb als sadistischen Psychopathen, der die Kinder in Gefangenschaft hält, bis sie ein bestimmtes Alter erreichen. Danach … tja. Adieu, grausame Welt.

8. Bait
Ein kurzes Gedicht, wohl aus der Sicht der Schneekönigin. Es bleibt nicht viel davon hängen, aber wenigstens ist es nicht so entmutigend wie die meisten anderen Geschichten in dieser Anthologie.

9. Boar & Apples
Diese Nacherzählung von Schneewittchen dürfte wohl das längste und am besten ausgearbeitete Stück der Anthologie sein. Die böse Königin ist in der Tat böse, der Spiegel allerdings auch und die Abläufe relativ tragisch bis herzlos. Schneewittchen wirkt anfangs ziemlich egozentrisch, entwickelt sich im Laufe der Ereignisse aber zu einer wesentlich sympathischeren Figur. Wenn sich Toad Wordsfür eine Geschichte alleine lohnt, dann ist es wohl diese. Wieder viele desillusionierende Dinge, aber immerhin halbwegs hoffnungsvoll im Ausgang.

10. Odd Season
Da macht der Name dem Gedicht wohl alle Ehre, ich habe einfach keine Ahnung, was mir die Autorin hier mitteilen wollte. Worum ging es noch gleich?

Quelle: http://moyasbuchgewimmel.de/rezensionen/titel/t/toad-words