Bisschen viel bei der Konkurrenz inspiriert, wa?
Die sechzehnjährige Gwendolyn entstammt einer Familie von Zeitreisenden. Laut einer alten Prophezeiung ist ihre Cousine Charlotte die nächste in der Familie, die diese Fähigkeit geerbt hat und alle warten gespannt auf den Moment, da Charlotte das erste Mal springen wird. Charlotte ist in jeder Hinsicht perfekt: groß, schlank und von einer Jahrhunderte alten Geheimgesellschaft bestens ausgebildet in Benehmen, Sprache und Fechtkunst, um sich künftig unauffällig durch die Vergangenheit bewegen zu können. Entsprechend wenig erfreut sind alle, als sich nicht die verwöhnte Charlotte als Zeitreisende entpuppt sondern die etwas tollpatschige Gwendolyn.
Montagmittag in der Schul-Cafeteria spürte ich es zum ersten Mal. Für einen Moment hatte ich ein Gefühl im Bauch wie auf der Achterbahn, wenn man von der höchsten Stelle bergab rast. Es dauerte nur zwei Sekunden, aber es reichte um mir einen Teller Kartoffelpüree mit Soße über die Schuluniform zu kippen.
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Nachdem ich nun jahrelang dem Hype um diese Bücher entkommen bin, hat es mich letztlich doch wieder eingeholt. Das Thema Zeitreise hat mich neugierig gemacht und wegen der schönen Cover bin ich ohnehin immer wieder um die Edelsteintrilogie herum geschlichen, also habe ich mich geschlagen gegeben.
Was mich gleich zu Anfang von Rubinrot irritiert und nachhaltig gestört hat war das Londoner Setting. Nicht, dass ich dieses Setting grundsätzlich nicht mögen würde, im Gegenteil! Nein, irritierend empfand ich die Tatsache, dass hier eine deutsche Autorin am Werk ist die mit englischen Namen, englischen Schuluniformen, englischem Allerlei um sich wirft und mir damit den Eindruck vermittelt hat auf die Erfolgsschiene anderer, tatsächlich englischsprachiger Autoren aufspringen zu wollen. Fragt mich nicht warum, aber ich empfand das als extrem störend und musste dann sogleich feststellen, dass ich das gesamte Buch weniger glaubhaft finden würde.
Auf den folgenden Seiten hat sich daran leider auch nicht all zuviel verändert, denn man merkt der Handlung schnell an, dass sie auf ein recht junges Publikum abzielt und vieles kam mir von Erzählstil und Wortwahl her ›typisch deutsch‹ vor. Während viele Jugendbücher außerdem auch erwachsene LeserInnen noch zu begeistern vermögen, ist Rubinrot einfach ein bisschen zu schlicht und zu stark nach einer bestimmten Formel konstruiert worden. Wer aber Lust auf leichte Kost hat und sich nicht zu sehr konzentrieren will oder kann, der wird zumindest locker unterhalten.
Gwen kommt als Protagonistin anfangs recht aufgeweckt daher und ist auch nicht gerade auf den Mund gefallen. Die Autorin lässt immer mal wieder das Problem der Geschlechterrollen auftauchen, was sich vor allem anhand des frauenfeindlichen Grafen zeigt. Während Gwen zunächst eine Figur zu sein scheint die dem alten Tattergreis mal erklären könnte wo der Hammer hängt, fügt sie sich dann aber doch sehr schnell in ihre ›dummes Frauchen‹ – Rolle und erschlägt damit sämtliche Hoffnungen auf eine selbstbewusste Protagonistin. In manchen Situationen mag man das mit viel gutem Willen noch als Taktik entschuldigen können, in anderen dagegen nicht. Gwen hat durchaus gute Ansätze, aber sie werden immer wieder durch widersprüchliches Verhalten untergraben sobald unser Graf oder auch der obligatorische heiße Draufgänger Gideon de Villiers ins Spiel kommen. Es gibt sicherlich schlimmere Beispiele für schwache Frauenfiguren, ein Vorbild wird dadurch aus Gwen trotzdem nicht. Denn wenn es darauf ankommt ihre Ansichten zu vertreten und für sie einzustehen zieht unser spitzzüngiges Mäuschen schnell den Kopf ein. Schade.
Über ihren männlichen Mitstreiter kann man fast noch weniger sagen als über Gwendolyn. Gideon ist der überdurchschnittlich attraktive ältere Junge den eine ordentliche Portion Arroganz umgibt und der selbstverständlich alles kann. Selbstredend verbirgt sich in seinem Kern natürlich ein weiches Herz. Über die konsequent folgende Liebelei ist man entsprechend nicht verwundert und auch die übliche Eifersuchtsszene darf nicht fehlen, die dank Nebenbuhlerin Charlotte beigesteuert wird.
Alle Figuren bleiben dabei relativ blass und entwickeln sich weniger, als dass einem ihre Persönlichkeit stichwortartig vorgesetzt wird.
Die Handlung selbst ist immerhin recht solide, auch wenn die vermeintlichen Geheimnisse leicht vorhersehbar sind. Hier macht sich vermutlich wieder das Lesealter bemerkbar. Jüngere Leser dürften die gut ausgeschmückten Zeitreisen und das Mysterium um den Chronographen wesentlich spannender finden.
Kurz und knapp: Rubinrot ist eher eine schnelle Mittagslektüre oder ein Buch für den Besuch am Strand. Zur seichten Unterhaltung gut geeignet, allerdings bleibt nach Zuklappen des Buches nicht sehr viel hängen. Zu empfehlen eher jungen Lesern oder jenen die nur alle Jubeljahre mal zu einem Buch greifen.