Nette Ansätze, aber zu wenig Substanz!
Geralt von Riva ist von Beruf Hexer und verdient sich seinen Unterhalt mit dem Erlegen von bösen Kreaturen aller Art. Sein Berufsstand ist allerdings eine Münze mit zwei Seiten. Obwohl die Menschen auf die Hilfe der Hexer angewiesen sind haben sie doch häufig wenig Respekt vor ihnen. Geralt kennt sich gut mit der Verachtung aus, die ihm regelmäßig entgegen gebracht wird, was ihn jedoch nicht davon abhält Teufeln, Dämonen und verwunschenen Prinzessinnen gegen Bares ein Ende zu bereiten. Schließlich muss auch ein Hexer von irgendetwas leben.
Es ging auf den Morgen zu, als sie zu ihm kam. Sie trat sehr vorsichtig ins Zimmer, leise, mit lautlosen Schritten, schwebte durchs Zimmer wie ein Gespenst, wie eine Erscheinung. Und den einzigen Laut, der ihre Bewegung begleitete, erzeugte der Umhang, der sich an der nackten Haut rieb.
- Die Stimme der Vernunft (1)
Der jüngste Ausflug in die Gefilde der Kurzgeschichten führt diesmal zu Andrzej Sapkowskis Der letzte Wunsch – dem ein oder anderen sicherlich bekannt aus dem erfolgreichen Computerspiel The Witcher.
Mit dieser Sammlung bewegt sich der Leser durch eine wenig gastfreundliche mittelalterliche Welt, in denen allerlei übernatürliche Kreaturen ihr Unwesen treiben. Manche werden allerdings auch gänzlich falsch verstanden und zu unrecht als Monster bezeichnet. So hatte die »Würgerin« beispielsweise wenig andere Optionen, als von der Prinzessin zur Diebin zu werden, nachdem sie von ihrer bösen Stiefmutter aus dem Palast geworfen worden war und ein paar schlimme Dinge erleben musste. Sapkowski beruft sich dabei häufig auf allseits bekannte Märchen, z.B. der Gebrüder Grimm und verleiht den Protagonisten neben neuen Namen auch alternative Geschichten die unseren Hexer nicht selten in Gewissenskonflikte bringen.
Insgesamt ist der Weltenbau recht stereotyp und klassisch, was diese Art von Setting angeht, wird aber hin und wieder von einer Prise Humor bereichert.
Innerhalb des Buches bewegt sich der Leser nun etwas richtungslos von einem Abenteuer zum nächsten und jedesmal ist Hexer Geralt beauftragt eine gefährliche Kreatur auf die ein oder andere Weise auszuschalten. Auffällig ist dabei, dass sich die Abenteuer tatsächlich wie einzelne Queste innerhalb eines Computerspiels lesen, wobei gesagt sein muss, dass die Geschichten zuerst da waren und nicht etwa nach dem Spiel entstanden sind.
Erzählt werden die einzelnen Abenteuer wie in Rückblenden, nur das der Zusammenhang leider meistens fehlt. Nur der Handlungsstrang »Die Stimme der Vernunft« zeigt eine durchgehende Handlung und so wirken die übrigen Geschichten etwas sinnlos, da sie auch keinerlei Charakterzeichnung zulassen. Wer es nun gerne oberflächlich mag und sich seicht berieseln lassen möchte, der wird sicher etwas mehr Begeisterung bei dieser Lektüre empfinden als es mir möglich war. Denn neben der fehlenden Charakterentwicklung sind auch die Dialoge oft etwas sprunghaft und unklar und die Szenerie wechselt gerne schneller als man die Seite umblättern kann.
Vielleicht lag es am Schreibstil oder an der fehlenden Gesamthandlung, dass mich Geralt von Riva in Buchform bisher nicht überzeugen konnte. Die Geschichten scheinen sich schlecht auf die Konzentrationsfähigkeit auszuwirken. Ein Pageturner ist Der letzte Wunsch leider nicht und so verliert man ständig den Faden oder hangelt sich von einer belanglosen Anekdote zur anderen ohne dass dabei etwas hängen bleiben würde. Geralts gelegentlich durchblickender sarkastischer Humor erzeugt zwar kurzzeitig Hoffnung, leider stirbt die genauso schnell wieder wie sie kommt. Unterm Strich also eher enttäuschend, obwohl es vereinzelt interessante Ansätze gibt. Wäre der Autor hier mehr darauf eingegangen, wäre das Urteil sicher besser ausgefallen und die Motivation zum nächsten Band zu greifen – diesmal ein richtiger Roman – auch größer.