Vom Schreiben und dem Mut zu versagen
»Du hast ein Buch geschrieben??? Wie hast du DAS denn gemacht?« Diese Frage höre ich seit ein paar Wochen immer wieder, jedes Mal wenn jemand neues unter meinen Bekannten mitbekommt, dass ich einen Roman geschrieben habe, der demnächst auch noch veröffentlicht wird. Und ich weiß nie so recht was ich antworten soll. Aber die Frage ließ mich doch nachdenken. Wie habe ich das denn eigentlich geschafft? Die Antwort ist so banal, dass es vermutlich Menschen gibt, die mich dafür ohrfeigen möchten: Ich habe mich hingesetzt und angefangen zu schreiben. Der Rest ist einfach passiert.
Eine Sache, die viele Menschen daran hindert zu schreiben, oder Kunst im Allgemeinen zu machen, ist die Angst vor dem Versagen, vor dem schlecht sein. „Was ist, wenn mein Roman nichts taugt?“, fragt man sich, und dann, um dieses schreckliche Ergebnis zu vermeiden, fangen sie gar nicht erst an. Auf diese Weise bleibt die Story-Idee auf ewig glänzend und perfekt im eigenen Kopf. Aber eines Tages, wenn man erstmal richtig anfängt zu schreiben, dann wird die Story nicht weniger als ein Bestseller! Richtig? Nope.
Wer sich nicht traut zu versagen, wird nie eine Geschichte fertigstellen können. Da steht man sich gern selbst im Weg. Dieser Drang, dass man nur etwas perfektes schreiben darf, wenn man sich entscheidet zu schreiben, sorgt dafür dass die Idee stirbt, bevor sie eine Chance hatte sich zu entfalten. Mein Ansatz beim Schreiben war schon immer ein anderer. Ich hatte nie so richtig vor einen Roman zu veröffentlichen. Der Traum war gewiss da seit ich das ABC kennenlernte, aber ich habe nie wirklich geglaubt, dass es mal soweit kommt. Trotzdem hatte ich Spaß am Schreiben. Es gefiel mir Geschichten zu erfinden. Ich schrieb sie für mich, weil es ein Hobby war, niemand machte mir Druck fertig zu werden, niemand verlangte Qualität, weil niemand wusste, was ich tat.
Es geht natürlich nicht darum sich hinzusetzen und zu sagen: »Heute schreibe ich eine miese Geschichte, die keiner gut findet.« Es geht mehr darum sich zu erlauben, nicht sofort das Beste vom Besten schreiben zu müssen, sich selbst zu gestatten versagen zu dürfen. Das nimmt einem den selbst auferlegten Prüfungsdruck und macht den Kopf frei für echtes kreatives Denken und kontinuierliches Schreiben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der erste Entwurf eben nicht besonders gut sein und eine Menge Überarbeitung brauchen. Das war bei mir nicht anders und ich bin sicher es geht auch anderen AutorInnen so. Das ist ok, das ist normal, das gehört dazu. Ich bin ja auch Zeichnerin, darum vergleiche ich das Schreiben gerne mit dem Zeichnen: Wenn ihr einen Bleistift in die Hand nehmt um etwas zu zeichnen, dann habt ihr garantiert auch einen Radiergummi neben euch liegen, weil ihr wisst, dass nicht jeder Strich sofort da sitzen wird, wo er sein muss. Ihr werdet immer wieder Dinge ausradieren und verbessern, bis das Motiv richtig aussieht. Mit dem Schreiben ist es nicht anders. Einen misslungenen Entwurf kann man fast immer ausbessern, bis er etwas taugt. Was sich aber nicht ausbessern lässt ist eine leere Seite. Also schreibt. Versucht nicht gleich alles perfekt hinzukriegen. Lasst die Übergänge holpern, lasst die Logiklöcher sprießen, ergeht euch in Wortwiederholungen, wenn euch gerade keine Alternative einfällt. Sorgt einfach nur dafür, dass die grundsätzliche Idee aufs Papier kommt. Die Feinarbeit folgt später. Manchmal kommt am Ende vielleicht etwas ganz anderes heraus, als ihr es eigentlich geplant hattet, aber deswegen muss es kein schlechtes Ergebnis sein.
Bevor BRÏN ein Roman wurde, den andere lesen und letztlich sogar verlegen wollten, war es eine dreimal begonnene und ebenso oft verworfene Kurzgeschichte, von deren Ansätzen niemals jemand etwas zu sehen bekommen wird. Die Entwürfe hatten nur eines gemeinsam: die Protagonistin Juno, die in eine Pfütze stolpert und in einer fremden Welt wieder herauskommt – und ihre Katze, die Schuld ist an dem ganzen Pfützendebakel. Erst beim dritten Ansatz begann diese Geschichte endlich zu leben und dann entwickelte sie sich auf so ungeplante und wunderschöne Art und Weise, dass die Kurzgeschichte plötzlich zu einem Roman anwuchs. Es lässt sich einfach nicht alles planen, aber es hilft immer, einfach mal anzufangen und die ersten Sätze in die Tasten zu hauen. Ohne Druck, ohne das Ziel heute einen Roman zu schreiben. Denn während langjährige Profi-Autoren sich im Laufe der Zeit gewiss ihre kleinen Routinen zugelegt haben, müssen wir Neulinge erst einmal herausfinden, was unsere Synapsen zum Schreiben bringt. Es ist ein Lernprozess und jeder Lernprozess ist von einer Fülle an Fehlversuchen gekennzeichnet. Man darf gescheiterte Versuche nicht als Zeitverschwendung sehen, denn das Versagen gehört dazu, wenn man in etwas gut werden will. Es heißt im Sprichwort: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wieso sollte für Autoren etwas anderes gelten? Den einzig wahren Fehler den man letztlich begehen kann ist der, es gar nicht erst zu versuchen und zu viel Perfektion von sich selbst zu verlangen. Man muss sich ausprobieren und das Erstellte dann wieder und wieder ausbessern, bis es die richtige Form angenommen hat. Und wenn es trotzdem nichts werden will, dann versucht man sich eben an der nächsten Idee. Hebt die Fehlversuche auf und lasst sie irgendwo versauern. Wer weiß? Vielleicht gibt es für sie eines Tages einen neuen Belebungsversuch, der dann zu einer größeren Sache wird als man es sich hat träumen lassen.
BRÏN war auch für mich nicht die erste Geschichte, die ich geschrieben habe. Es gibt viele Texte, die ich über Jahrzehnte angesammelt habe, die in meinen virtuellen Schubladen anstauben und gewiss niemals das Tageslicht erblicken werden. Aber ich behalte sie. In jedem dieser Fehlversuche steckt eine Idee, die mal etwas hätte werden können und die einen gewissen Entwicklungsstand in meinem künstlerischen Leben dokumentieren. Vielleicht bekommen ein paar der besseren Ideen irgendwann noch mal eine neue Chance. Bis dahin bin ich aber erst einmal mit meinem zweiten Roman beschäftigt, dessen Idee mir im Verlauf von BRÏN kam. Ein Buch inspiriert hier das andere. So kann es nämlich auch kommen. Alles was man tun muss, ist anfangen und die ersten Szenen niederschreiben. Zusammenhanglos, unperfekt und vielleicht zum Scheitern verurteilt. Aber das macht nichts. Das alles sind Übungen. Solange ihr Spaß habt an dem was ihr macht, ist es eine sinnvolle Beschäftigung und womöglich wird irgendwann doch noch unverhofft eine große Sache daraus.