Es hatte so gut angefangen ...

Glassholm, die Stadt unter dem Mond, hat ein Problem. Vor fünfhundert Jahren hat der Lunane den Mond eingefangen und damit die Entstehung von Glassholm ermöglicht. Doch nun scheint seine Macht zu schwinden. Das Gleichgewicht gerät immer öfter ins Wanken, ein Mord geschieht zur völlig falschen Zeit des Monats und es bahnt sich eine Rebellion an. Eines Morgens erwacht Anton im Palast des Lunane und jeder will ihm einreden, dass er der König von Glassholm sei. Die Reaktionen der Menschen scheinen die Behauptung zu bestätigen, doch Anton hat berechtigte Zweifel.
While the moon grows fat, we’re happy
While the moon grows thin, we cry
When the moon shines Full, we’ll party
And when Dark Day comes, we hide
For we are the people of the moon, the people of the moon are we.
This has been our way since the Founding days, and ever now shall be.
– (Popular Song)
In Sachen Weltenaufbau hat sich der Autor für sein Debütwerk etwas spannendes ausgedacht. Die Menschen von Glassholm reagieren sehr stark auf die Mondphasen. Zu Vollmond sind sie überglücklich, feiern ausschweifend und freuen sich des Lebens als wären sie auf Droge. Das geht so weit, dass sie am nächsten Morgen manchmal nicht mehr wissen, was sie in der Vollmondnacht getrieben haben. Auf der anderen Seite steigen Depression und Gewaltbereitschaft, sobald es auf den Neumond zu geht.
Daneben ist auch der technische Schnickschnack spannend. Es wirkt alles so, als wäre Glassholms Entwicklung irgendwo zu Beginn der Industrialisierung stehen geblieben. Nicht ganz Steampunk, aber doch recht nah dran. Hier kommt dann noch eine Prise Magisches dazu. Ein körperloser Verstand der Besitz von anderen Menschen ergreifen kann, Kinder, die nur aus Wasser, Muscheln und Seetang gemacht sind, Äffchen die das Glück verteilen und natürlich die Wirkung des Mondes selbst. Es ist ein Balance-Spiel das bis ins Extrem getrieben wird. Die Welt von Glassholm ist eine interessante Mischung aus altmodischen Maschinen und sagenhafter Phantasiegestalten.
Nachdem mich diese Eindrücke überzeugt und im ersten Viertel in erwartungsvolle Euphorie versetzt haben, kam aber nach und nach die Ernüchterung.
Es beginnt damit, dass die zahlreichen Rechtschreibfehler in The Moon King irgendwann einfach unglaublich nerven. Es geht da nicht nur um einzelne ausgelassene oder verdrehte Buchstaben, sondern um gänzlich fehlende Worte oder gar Wortverwechslungen. Wenn da in einem Satz zum Beispiel »ground« statt »groaned« steht, dann unterbricht das sehr zuverlässig den Lesefluss, weil man erst einmal verwirrt überlegen muss was gemeint ist. Damit alleine könnte man sich womöglich abfinden, wenn der Rest zu begeistern wüsste, doch so richtig kommt die Geschichte nicht in Gang, denn auch die Charaktere bieten einem keinen Halt.
Es gibt drei Hauptfiguren aus deren Perspektive die Geschichte abwechselnd erzählt wird: Erfinder Anton, Künstlerin Lottie und Polizist Mortlock. Obwohl sie alle interessant starten wird es im Verlauf schwierig mehr in ihnen zu sehen als dünne Worte auf dem Papier. Vor allem das Konzept des Lunane, des Königs von Glassholms, hätte großartig werden können, doch sein Umgang mit Anton macht ihn bald sehr unsympathisch und seine Entscheidungen sind stark konstruiert auf Kosten der Glaubhaftigkeit. Man kann das leider nicht näher erklären ohne dabei zu spoilern, darum nenne ich lieber keine Details, aber insbesondere am Schluss kann man dann wirklich nur noch den Kopf schütteln.
Als nächstes wäre da Lottie, die zur Heldin des Romans hätte werden können, wenn sie nicht mitten drin ihre bis dahin gezeigte Unabhängigkeit völlig vergessen würde und Hilfe bei ihrer Mutter suchen würde, die Lottie bisher verachtet hat, weil sie das fanatische Oberhaupt eines Blut-Kultes ist. Es ist sehr unglaubhaft, dass Lottie in ihrer Lage ausgerechnet dort Hilfe sucht, wo doch das zuvor geschilderte Verhältnis von Mutter und Tochter so gar keine Basis dafür liefert. Die ganze Episode die dann folgt ist bestenfalls abstoßend zu nennen, es sei denn man steht auf eine Menge (Menstruations-)Blut. Bei aller Liebe für einen offenen Umgang mit dem weiblichen Zyklus, solche Beschreibungen wie hier erzeugen eher ekel vor dem Thema und bauschen das Negative auf, das ohnehin in den Köpfen vieler Menschen verankert ist. Von der völlig realitätsfernen, demütigenden, unterdrückenden Vorgehensweise der Anhängerinnen dieses Kultes will ich gar nicht erst anfangen. Nach den Schilderungen hat Frau erstmal Lust ein ordentliches Schaumbad in einem weiß gefliesten Badezimmer zu nehmen…
Zum Schluss bleibt noch Polizist Mortlock, der den Mörder einer Kollegin suchen soll. Mortlock startet als ausgebrannter Cop-Noir mit der üblichen dunklen Vergangenheit und schon ein paar Seiten später werden einem die Hinweise in Leuchtschrift vorgesetzt, so dass hier nicht mehr viele Geheimnisse bleiben. Sein weiteres Tun kommt dann auch nicht überraschend. Tja, noch so ein Ding das für sich allein genommen nicht weiter tragisch gewesen wäre, in Kombination mit den restlichen Mängeln für das Buch aber ein weiterer Spatenstich ins eigene Grab wird.
The Moon King beginnt also spannend und endet frustrierend. Die tollen Ideen die sich am Anfang abzeichneten wurden gerade zum Schluss hin völlig vermurkst. Ich wollte das Buch wirklich mögen, weil der Anfang so vielversprechend war und die Stadt bzw. die Insel mit ihren Eigenarten wunderbar gezeichnet wurde. Doch was Handlung und Figuren angeht bleibt einfach nicht viel von der ersten Begeisterung übrig. Es ist auch letztlich nicht klar, wie es dann zu dem Ende gekommen ist, weil es keine echte Entwicklung dahin gibt. Plötzlich werden einem irgendwelche neuen Tatsachen um die Ohren gehauen die auch hinterher nicht logisch nachvollziehbar sind. In der Regel ist es ja toll, wenn einen ein Autor zu überraschen vermag, so allerdings war es nicht nur eine Überraschung sondern ein genervtes »Hä?«, das den Schluss von The Moon King ausmacht. Schade. Trotz Nominierung für zwei Buchpreise gibt es von mir leider keine Leseempfehlung.