Und wer gibt mir jetzt meine verschwendete Zeit zurück?

Never Let Me Go - Kazuo Ishiguro

Kathy H. ist mit ihren Freunden Ruth und Tommy in Hailsham aufgewachsen. Sie gehören zu einer Gruppe besonderer Kinder, deren spezieller Platz im Leben erfordert, dass sie von der Außenwelt lange Zeit getrennt leben. Zum Zeitpunkt ihrer Entlassung wissen sie, dass die Welt aus Spendern und Empfängern besteht. Kathys Erzählungen liefern Einblicke in das System dieses modernen Organhandels und seine Abläufe.

My donors have always tended to do much better than expected. Their recovery times have been impressive, and hardly any of them have been classified as “agitated”, even before fourth donation.



Wenn man sich andere Rezensionen anschaut, dann scheine ich mit meiner Meinung zu Never Let Me Go (Alles was wir geben mussten) wohl eher in der Minderheit zu stehen. Denn das Buch war leider eine absolute Verschwendung meiner Lebenszeit und nur die vielen Lobeshymnen haben mich hoffen lassen, dass es irgendwann anfängt interessant zu werden während ich mich durch die Seiten kämpfte. Doch Fehlanzeige.

Kathys Geschichte ist in drei Teile gegliedert und beginnt als Rückblende mit ihrer Kindheit in Hailsham, einer Art englischem Internat, geht weiter zu den »Hütten«, was in etwa dem Ausbildungs-/Studentenalter entspricht und endet im dritten Teil, wo die inzwischen erwachsenen Charaktere ihre eigentliche Aufgabe beginnen. Doch Kathy erzählt derweil eine belanglose Anekdote nach der anderen und die wollen einfach kein Ende nehmen. Sie nehmen mal hierauf, mal darauf Bezug, springen wild in der zeitlichen Abfolge herum. Ab und an streut der Autor einige wenige echte Informationen in die Handlung ein, macht dies aber derart nebensächlich, dass einfach kein Interesse für die Geschichte aufkommen kann. Das ist relativ ermüdend, da zwar einerseits sofort klar ist, worauf Kathys Geschichte hinausläuft, andererseits tut der Autor aber so, als hielte er eine große Überraschung für den Leser bereit, in dem er immer nur diese angeblich wenig sagenden Brotkrumen einstreut.

Vermutlich war es die Intention des Autors mit all diesen Kindheitsgeschichten den Leser dazu zu bringen, eine emotionale Brücke zu den Spendern aufzubauen. Vielleicht funktioniert das bei anderen Lesern sogar, ich dagegen habe einfach gar nichts für die Figuren empfinden können. Der Grund dafür? Sie verhalten sich stockdumm und vor allem seelenlos. Letzteres ist besonders ironisch, weil es in dem Buch bzw. in Hailsham gerade darum geht zu beweisen, dass diese »besonderen« Kinder eine Seele haben und echte menschliche Wesen sind. Die Charaktere sind aber leider mehr als schlecht gelungen. Kathy hat absolut kein Rückgrat, ist duckmäuserisch, eine Mitläuferin ohne eigene Meinung. Das ist im Grunde auch schon alles was man über sie sagen kann. Ihre beste Freundin ist ein Mädchen Namens Ruth, die ich persönlich als Vollblutarschloch bezeichnen und mit einem saftigen Tritt aus meinem Leben befördern würde. Sie ist manipulativ, verletzend, verlogen und egozentrisch ohne Rücksicht auf Verluste. Kathy verteidigt sie trotzdem regelmäßig, auch nachdem sie gerade erst wieder von Ruth in irgendeiner Weise schlecht behandelt wurde und man hat das dringende Bedürfnis sie für ihre Dummheit link sund rechts zu ohrfeigen. Dann gibt es noch Tommy, einen impulsiven und schnell zornig reagierenden Jungen mit dem sich Kathy anfreundet, der dann aber eine Beziehung mit Ruth eingeht. Von diesen drei Hauptfiguren ist Tommy der einzige, den man halbwegs ertragen kann und der etwas Charakter zeigt. Was aber alle Figuren miteinander Teilen ist eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Schicksal. Sie dienen als Ersatzteillager, aber das scheinen sie total in Ordnung zu finden. Niemand wehrt sich, niemand kämpft, niemand rebelliert. Nicht mal stumm und leise für sich selbst. Sie alle nehmen ihr Schicksal wortlos an. Wenn es selbst den Protagonisten schnuppe ist, dass sie einfach nur Dinger sind, wie soll man da als Leser Mitleid haben? Mein Gedanke: Wenn es ihnen so egal ist, nehme ich auch ein Nierchen oder zwei! Das ganze Konzept in diesem Roman ist konfliktlos und so einfach nicht überzeugend.

Gerade wenn man denkt jetzt kommt kurz vor dem Ende doch endlich die ersehnte Wendung, der Moment der Spannung, dann liefert einem der Autor eine derart lauwarme Erklärung für alles, dass nicht einmal die Protagonisten überrascht sind. Wer trotzdem bis zum Ende des Buches durchhält, der wird sicherlich zu dem Schluss kommen, dass die Dinge die dort geschehen eigentlich moralisch vollkommen verwerflich sind. Sie sind abstoßend, traurig und unheimlich. Trotzdem ist einem all das letztlich völlig egal, weil das Buch langweilig ist, die Figuren furchtbar unliebsam sind, übermäßig sexualisiert agieren und gleichzeitig kaum mit der geistigen Auffassungsgabe eines Kindes mithalten können. Schade.

Quelle: http://moyasbuchgewimmel.de/rezensionen/titel/n/never-let-me-go